Archiv vom Tanz

Ihre Karriere hatte Anna Duncan, geborene Denzel (1894–1980), dem Weitblick ihres Vaters zu verdanken: 1904 durch eine Zeitungsnotiz auf die Tanzschule Elizabeth und Isadora Duncans in Berlin-Grunewald aufmerksam geworden, reiste der Schweizer mit seiner zehnjährigen Tochter in die deutsche Großstadt, um sie den amerikanischen Schwestern vorzustellen. Das begabte junge Mädchen wurde angenommen und tanzte sich schnell ins Herz ihrer prominenten Meisterlehrerin Isadora, die als Pionierin des modernen Ausdruckstanzes zu internationaler Berühmtheit gelangt war. Um sie fortan mühelos auf Tourneen bis in die USA mitnehmen zu können, adoptierte die erfolgreiche Choreografin ihre Lieblingsschülerin, ebenso wie fünf weitere Nachwuchs­talente aus ihrer Tanzschule. Die unter dem Namen „Isadorables“ berühmt gewordene Compagnie reiste um die ganze Welt und prägte eine völlig neue Form des Bühnentanzes, fernab der Tradition des klassischen Balletts.

Dem Deutschen Tanzarchiv in Köln ist es nun gelungen, Anna Duncans umfangreichen Nachlass zu erwerben. Das kostbare Konvolut dokumentiert das Leben der Tänzerin im Dienste und an der Seite der legendären Isadora Duncan mit Amateurfotografien ebenso wie professionellen Studioaufnahmen, Vintage und Later Prints, Foto-Reproduktionen, Foto-Negativen und einer kleinen Sammlung grafischer Blätter und gibt so wertvolle Einblicke in die Wirkungsgeschichte des Bühnentanzes zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Insbesondere die zahlreichen Porträts und Tanzszenen, festgehalten von so bedeutenden Fotografen der Jahrhundertwende wie Edward Steichen, Arnold Genthe und Nicholas Muray, tragen zur kunst- und kulturhistorisch herausragenden Bedeutung dieses Nachlasses bei.

Teilarchiv Jooss

Die zehn Männer scheinen heftig zu diskutieren. Im Scheinwerferlicht der tief hängenden Lampe geben sich die befrackten Herren aufgeregt, dann nachdenklich, dann gestikulieren sie wieder wild durcheinander, ehe sie ihre Köpfe konspirativ über den grünbezogenen Konferenztisch beugen. Mit seinem 1932 in Paris uraufgeführten Tanzdrama „Der Grüne Tisch“ wurde Kurt Jooss (1901–1979) über Nacht berühmt. In der stilprägenden Verbindung von klassischen und modernen Elementen entfaltete der Choreograph einen bittersüßen „Totentanz in acht Bildern“; bis heute wird sein Stück in Theatern weltweit aufgeführt. Mit der Gründung der Folkwang-Bühne 1928 in Essen legte der gebürtige Schwabe den Grundstein für die Ausformung eines neuen Tanztheaters. Seit der Uraufführung seines Anti-Kriegs-Balletts als einer der innovativsten Köpfe der internationalen Szene bekannt, kehrte der emigrierte Pädagoge 1949 ins Rheinland zurück, um seine Arbeit an der Folkwang-Schule, unter anderem als Lehrer von Pina Bausch, wieder aufzunehmen.

Das Deutsche Tanzarchiv in Köln konnte nun ein bedeutendes Teilarchiv des erfolgreichen Tänzers, Choreographen und Pädagogen erwerben. 1971 hatte Jooss selbst das umfangreiche Material – darunter persönliche Manuskripte, Korrespondenzen, Notenschriften, Bühnenzeichnungen und Fotografien bedeutender Ateliers der 1920er und 1930er Jahre – für die Erarbeitung seiner Biographie und einer Ausstellung nach Stockholm geschickt; die Unterlagen fanden anschließend den Weg nicht zurück nach Deutschland. Die vom Künstler ausgewählten Dokumente und Materialien zeichnen nicht nur ein umfassendes Bild seines Wirkens als Tänzer, Choreograph und Pädagoge, sondern ermöglichen darüber hinaus wertvolle Einblicke in die Kultur- und Tanzgeschichte jener Zeit. Befindet sich der umfangreiche Nachlass Jooss‘ seit 2002 im Kölner Tanzarchiv, ist die glückliche Wiedervereinigung jahrzehntelang getrennter Teilbestände nicht nur für das Deutsche Tanzarchiv ein wahrer Glücksfall, sondern wird auch die Tanzforschung enorm bereichern.

Mit der Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Kunststiftung NRW erweitert das Deutsche Tanzarchiv Köln seine umfangreiche Sammlung um zwei herausragende Archive der Tanzhistorie.