An Frau Fontane
„Die Stadt und das Leben hier ist hoch interessant: vergohrne Residenz, malerisches Drecksnest und dazwischen das denkbar feinste und intelligenteste Publikum […] Ich freue mich, daß ich hier bin, sehe aber ein, daß die ganze Geschichte doch nur für Lords und Bankiers inscenirt ist. So daß man eigentlich nicht hineingehört. Wer mit keinem Tonnengewölbe-Koffer ankommt, ist von vornherein unten durch.“ Mit spitzer Feder schildert der große Romancier und brillante Briefeschreiber Theodor Fontane hier seiner Frau Emilie seine Eindrücke aus der Festspielstadt Bayreuth im Juli 1889, wo er die „Parsival“-Aufführung allerdings bereits nach der Ouvertüre verlassen hatte, weil er den Aufenthalt in dem überfüllten Theater nicht mehr ertragen konnte.

18 Briefe auf insgesamt 71 Seiten aus der Korrespondenz des Ehepaars konnte das Potsdamer Theodor Fontane-Archiv mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Deutschen Forschungsgemeinschaft jetzt erwerben und damit eine wichtige Bestandslücke schließen. Sie sind wesentliche biografische sowie literarische Zeugnisse und zeigen den Dichter als liebevollen Ehemann: So tituliert Fontane seine Frau als „Verehrteste, Geliebteste, Arbeitsamste“, nennt sich selbst ihr „Alter“ und ironisiert seinen Status als „Apotheker, der statt von einer Apotheke von der Dichtkunst leben will“, also „so ziemlich das Tollste, was es giebt“. Manche Vorstellung über den großen Erzähler des 19. Jahrhunderts erhält durch diese Briefe neue Facetten.
Das Briefkonvolut aus dem letzten Lebensjahrzehnt des Schriftstellers ist von hohem wissenschaftlichem Interesse: Drei Briefe waren bislang völlig unbekannt – die anderen fünfzehn lagen nur in unzuverlässigen Abschriften vor. Nun kann die Forschung im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv, das über die größte Sammlung von Manuskripten und Korrespondenzen des Schriftstellers verfügt, auf die Originale zurückgreifen und diese der wissenschaftlichen und allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich machen.