Im Netzwerk der Moderne

Edmund Kesting, Bildnis Professor Will Grohmann, 1947; Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett
Edmund Kesting, Bildnis Professor Will Grohmann, 1947; Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett

„Er ist eine Autorität, gefürchtet, verehrt, befehdet“, ehrte die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Kunstschriftsteller, Kritiker und Kurator Will Grohmann am 4. Dezember 1957 zu dessen 70. Geburtstag. „Sein Wort hat vielen deutschen Künstlern den Weg ins Ausland, in die Anerkennung der internationalen Kunstwelt geöffnet und geebnet.“ Über gut fünfzig Jahre hatte sich der in Bautzen geborene und in Dresden aufgewachsene Grohmann (1887 –1968) – zunächst von Dresden, ab 1948 von Berlin aus – für die Verteidigung und Vermittlung der zeitgenössischen Kunst im In- und Ausland eingesetzt und ihre Entwicklung vom Expressionismus über das Bauhaus bis zum Informel begleitet. Als „einer der wenigen deutschen Kunstkenner von internationalem Format“ galt er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Tagesspiegel war er „weniger der Vasari […] der deutschen Moderne […] als vielmehr ihr Sherlock Holmes und ihr Columbus“ (3.12.1967).

Dieser Columbus der Moderne ist nun anlässlich seines 125. Geburtstags in Dresden wieder zu entdecken – ab 27.9.2012 in einer großen Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen, die über 220 Werke aus europäischen und amerikanischen Museen zusammenführen und deren eng mit Grohmann verknüpfte Hintergrund­geschichten erzählen. In einmaliger Weise zeigt die Schau so das Wirken dieses einflussreichen deutschen Kunstkritikers des 20. Jahrhunderts und sein internationales Netzwerk auf.

Bereits der Ausstellungstitel „Im Netzwerk der Moderne. Kirchner, Braque, Kandinsky, Klee … Richter, Bacon, Altenbourg und ihr Kritiker Will Grohmann“, der sich wie ein Who’s who der modernen Kunstgeschichte liest, lässt keine Zweifel an Grohmanns Stellung in der europäischen Kunstszene übrig. Zugleich Förderer und Freund, Streiter und Sprachrohr heute weltberühmter Künstler, vermittelte der Kunsthistoriker ihre Werke an Museen, Galeristen und private Sammler und adelte – mit vielbeachteten Kritiken und Monographien, die zu Standardwerken avancierten – die Œuvres seiner Protegés.

Neben den Kunstwerken, die Grohmann vermittelt, ausgestellt oder selbst besessen hat, bietet die Ausstellung ein besonderes Highlight: Einige Gemälde, die die Dresdner Museen 1937 im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ verloren haben, werden anlässlich der Ausstellung nach über 70 Jahren erstmals wieder in Dresden zu sehen sein. Denn auch sie waren einst durch die Vermittlung Will Grohmanns in die Dresdner Sammlungen gelangt.