Der Amsterdam Machsor kommt nach Köln

„Der länderübergreifende Schulterschluss beim Erwerb ermöglicht es nicht nur, den Machsor künftig wechselweise sowohl an seinem Entstehungs- als auch an seinem jahrhundertelangen Aufbewahrungsort der Öffentlichkeit zu zeigen. Erstmals seit 50 Jahren dient dieses kostbare Zeugnis jüdischer Geschichte in Köln auch der Vermittlung regionaler Identität und ermöglicht die Erforschung der Geschichte jüdischen religiösen Lebens in seinem Entstehungskontext,“ so Prof. Dr. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.

Amsterdam Machsor, 47 x 34 cm, ca. 1250, © Joods Historisch Museum, Amsterdam und Landschaftsverband Rheinland
Amsterdam Machsor, 47 x 34 cm, ca. 1250, © Joods Historisch Museum, Amsterdam und Landschaftsverband Rheinland

Als Dauerleihgabe hatte sich der Machsor bereits seit 1955 im Joods Historisch Museum in Amsterdam befunden. Ab dem 25. September 2019 zeigt das „Wallraf-Richartz-Museum &
Fondation Corboud“ die Handschrift in Köln. Von 2021 an soll die prachtvoll illuminierte,  hebräische Handschrift in einem festen Wechselturnus im MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln und in Amsterdam präsentiert werden.

Die 331 Pergamentblätter des Amsterdam Machsor („Machsor“ hebräisch für Wiederholung oder Zyklus) enthalten Gebete und liturgische Gedichte. Dem liturgischen Jahreszyklus entsprechend werden diese an jüdischen Feiertagen vorgetragen. Die Machsorim waren hauptsächlich in den jüdischen Gemeinden im Gebiet des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in Gebrauch. Mithilfe der Gebetbücher leitete der Kantor die öffentlichen Gebete in der Synagoge. Der Amsterdam Machsor entstand um 1250 und gehört mit 47 auf 34 Zentimetern zu den größten heute bekannten Codices aus dem Mittelalter und zu den ältesten noch erhaltenen hebräischen illuminierten Manuskripten im deutschsprachigen Raum.

Die im Machsor enthalten Liturgien unter anderem zu den jüdischen Festen Rosch ha-Schana, Jom Kippur, Purim, Pessach und Shavuot sind verziert mit vielfarbigen Bordüren, leuchtenden Ornamenten und vergoldeten Initialwörtern. Besonderheiten in der Liturgie geben Aufschluss über den Entstehungshintergrund des Machsors: Das Fehlen einer festgelegten Ordnung der Bußgebete zum Versöhnungsfest Jom Kippur gilt beispielsweise als Eigenheit des Kölner Ritus. Dieser Ritus wurde in Köln und benachbarten kleineren Gemeinden praktiziert. Die Illumination – darunter Löwen, Greifen, ein Pfau und ein Kastell – und die elegante Kalligraphie der hebräischen Quadratschrift legen als Ursprung wiederum eine Metropole und damit das mittelalterliche Köln nahe, wo Schreiber ein solch hohes künstlerisches Niveau erreichten.

Amsterdam Machsor, 47 × 34 cm, ca. 1250, Einband; Joods Historisch Museum, Amsterdam, und Landschaftsverband Rheinland; © Joods Historisch Museum, Amsterdam und Landschaftsverband Rheinland / Foto: Joods Cultureel Kwartier
Amsterdam Machsor, 47 × 34 cm, ca. 1250, Einband; Joods Historisch Museum, Amsterdam, und Landschaftsverband Rheinland; © Joods Historisch Museum, Amsterdam und Landschaftsverband Rheinland / Foto: Joods Cultureel Kwartier

Spätestens mit der endgültigen Ausweisung der Juden aus Köln 1424 gelangte der Machsor vermutlich an einen anderen Ort. Eine datierte hebräische Notiz in der Handschrift vermerkt schließlich, dass ein in Amsterdam ansässiger Drucker namens Feivesh ha-Levi, in dessen Familienbesitz sich das Buch zuletzt befand, den Machsor 1669 der jüdischen Gemeinde in Amsterdam übergab. Nach rund 350 Jahren im Eigentum der Niederländisch-Israelitischen Hauptsynagoge bot die Jüdische Gemeinde Amsterdam den Machsor 2017 zum Kauf an.

Weitere Förderer dieser Erwerbung: Ernst von Siemens Kunststiftung, C.L. Grosspeter Stiftung, Land Nordrhein-Westfalen, Rheinische Sparkassen- und Giroverband,  Kreissparkasse Köln, Sparkasse KölnBonn.