Ein Ritter der Tafelrunde in Karlsruhe

„Bei dieser Handschrift handelt es sich um eine Rarität, die eine zentrale Station der deutschen, mithin der europäischen Kulturgeschichte dokumentiert,“ sagt Prof. Dr. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Denn sie stammt aus einer Werkstatt, die Klassiker-Ausgaben auf Vorrat produzierte und somit das Verlagswesen der Buchdruck-Epoche vorwegnahm. Mit der Erwerbung kehrt sie zurück in die Region, aus der sie stammt, und in eine Sammlung, deren Teil sie war. Damit steht sie nach mehr als 25 Jahren wieder der kunsthistorischen, kulturhistorischen, literaturwissenschaftlichen und bildungsgeschichtlichen Forschung zur Verfügung, für die sie von außerordentlichem Wert ist.“

Die Textfassung liegt bis heute nicht als Edition vor und wurde daher auch nie grundlegend wissenschaftlich beschrieben. Sie wird künftig der Forschung Antworten geben auf Fragen nach der Buchproduktion in der Werkstatt von Diebold Lauber oder zum Text-Bild-Verhältnis in der spätmittelalterlichen Buchillustration. Und sie ermöglicht es der Forschung, der Tradition ideeller Werte der höfischen Epik in der Buchkultur des Spätmittelalters und den Vorlieben der damaligen Leser nachzuspüren.

Die Erzählung datiert auf den Beginn des 13. Jahrhunderts: Der fränkische Dichter Wirnt von Grafenberg erzählt in Versform die Geschichte des Wigalois, der am Hof des Königs Artus zum Ritter der Tafelrunde aufsteigt und aufbricht, das Reich Korntin zu befreien.

Um 1420 wird der Artusroman im elsässischen Hagenau abgeschrieben – in der Werkstatt von Diebold Lauber, einer der damals produktivsten und bekanntesten Handschriftenwerkstätten volkssprachiger Buchherstellung im deutschsprachigen Raum. Hier entstehen reich illustrierte Handschriften mit Texten in deutscher Sprache für den Käufermarkt  Luxusausgaben für die adlige Elite am Oberrhein.

Die Wigalois-Handschrift jedenfalls war vermutlich im 16. Jahrhundert Bestandteil einer Bibliothek in Südwestdeutschland, spätestens um 1740 gehörte sie zur Meßkircher Biblio-thek des Hauses Fürstenberg. Deren Bestände wurde 1768 nach Donaueschingen ver-bracht, wo sie mit den übrigen Beständen des Fürsten den Grundstock der Donaueschin-ger Hofbibliothek begründeten.

Eine 925 Bände und viele Fragmente umfassende Sammlung erwarb das Land Baden-Württemberg im Jahr 1993, nachdem zuvor bereits einzelne Handschriften in andere Hän-de verkauft worden waren. Die deutschsprachigen mittelalterlichen Handschriften der Donaueschinger Sammlung bewahrt seither die Badische Landesbibliothek auf. Was bis jetzt fehlte: Die Wigalois-Handschrift, die 1990 nebst drei weiteren Einzelstücken in Privatbesitz verkauft worden war. Es handelt sich um eine von insgesamt zwei erhaltenen illustrierten Handschriften zum Wigalois-Epos, und dabei um die bei weitem vollständigere dieses literarisch bedeutenden Textes.

Weitere Förderer dieser Erwerbung: Ernst von Siemens Kunststiftung, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Wüstenrot Stiftung.