Stark: Kulturbildung für die Zukunft

Die Menschen stark zu machen, nannte Olaf Zimmermann vor kurzem das gemeinsame Ziel von politischer und kultureller Bildung. Beide, so wünschte es sich der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, sollten „mehr Mut zur Kooperation“ haben. Auch Markus Hilgert, Generalsekretär der Kultur­stiftung der Länder, attestiert kulturellem Austausch eine politische Wirkung. Als Leitmotiv bei allen Aufgaben der Stiftung sieht Hilgert den gesellschaft­lichen Auftrag: „Wir Kulturförderer handeln in allen Sparten auch politisch, bei der kulturellen Bildung, der Förderung zeitgenössischer Kunst sowie beim Erwerb von Kunst nationaler Bedeutung. Diese Verantwortung müssen wir deutlicher zeigen und unser Tun gut begründen.“

Plakat von Avantgarde Schiphorst e.V., Sonderpreisgewinner des Zukunftspreises für Kulturbildung – DER OLYMP 2018 in der Kategorie „Programme kultureller Bildung“; © Avantgarde Schiphorst e.V / Foto: Sabine Bytom
Plakat von Avantgarde Schiphorst e.V., Sonderpreisgewinner des Zukunftspreises für Kulturbildung – DER OLYMP 2018 in der Kategorie „Programme kultureller Bildung“; © Avantgarde Schiphorst e.V / Foto: Sabine Bytom

Die Frage nach der Relevanz der kulturellen Bildung und damit einer überprüfbaren Wirkung von künstlerischen Erlebnissen ist mindestens so alt wie die 2004 gegründete Bildungsinitiative Kinder zum Olymp! Die Kulturstiftung der Länder sorgte mit ihrer bundes­weiten Initiative, mit Kongressen, Netzwerkbildung und Wettbewerben, für mehr Schub in der kulturellen Bildung. Zahl und Varianz der im Wettbewerb eingereichten Programme und kulturellen Profile von Schulen sprechen eine klare Sprache: Die kulturelle Bildung kann Grenzen überwinden, sie weckt Anerkennung für die Kultur der Anderen, mit ihr erkunden wir – in jedem Alter und in jeder gesellschaftlichen Gruppierung – künstlerisch die eigene Geschichte und können unser kulturelles Erbe entdecken. Shermin Langhoff, die Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, warnte in einer Denkschrift des Rats für kulturelle Bildung vor der verhängnisvollen Allianz von sozialer Herkunft und Bildung. Bildung, die ohne kulturelle Bildung nicht denkbar sei, könne besonders in Stadtgesellschaften das Armutsrisiko mindern: „Nur Kunst und Kultur öffnen die Möglichkeitsräume,  die  gerade  für Kinder aus armen Verhältnissen überhaupt erst das Hinausdenken über die vermeintlich vorgezeichneten Pfade erlauben“, schrieb Langhoff.

Damit kulturelle Bildung auch eine kulturpolitische Wirkung hat, richtet die Kulturstiftung der Länder seit fast 15 Jahren die Scheinwerfer auf gelungene Projekte und Programme: Kinder zum Olymp!, ihre Bildungsinitiative, hat auch in diesem Jahr im Rahmen des Wett­bewerbs aus 174 sehr guten kulturellen Bildungsangeboten aus ganz Deutschland vier Beste herausgestellt (siehe Kästen).

Elke Büdenbender, Frank-Walter Steinmeier und Markus Hilgert bei der Preisverleihung; © Foto: Stefan Gloede
Elke Büdenbender, Frank-Walter Steinmeier und Markus Hilgert bei der Preisverleihung; © Foto: Stefan Gloede

Bundespräsident  Frank-Walter Steinmeier, der die Hauptpreis-Gewinner – die Stiftung Brandenburger Tor und die Integrierte Gesamtschule Herder – am 10. Juli in Berlin auszeichnete, brachte den Auftrag auf den Punkt: „Jeder kann einen Zugang zur Kunst und zur Kultur finden, wenn er nur eröffnet und nicht verstellt wird. Und ich glaube: Durch einen solchen Zugang wird jedes Leben reicher, tiefer und schöner.“ Diesen Zugang, dafür tritt Kinder zum Olymp! ein, müssen die für die Schulen Verantwortlichen schaffen. Nutzen werden ihn die Künstlerinnen und Künstler, Lehrerinnen und Lehrer,  Kulturschaffende und Kulturinstitu­tionen, die die kulturelle Bildung mit großem persönlichen Engagement in wenigen Jahren vom Nischendasein zur großen Vielfalt heute entwickelt haben. Dieser Zugang eröffnet mehr als die Entdeckung  der  eigenen  kreativen Potenziale. „Kulturelle Bildung legt die vielen Grundsteine, auf denen unsere Kulturlandschaft in all ihrer Diversität fußt. Sie leistet aber auch wertvolle Beiträge für die kulturelle Integration. Kulturelle Vielfalt ist keine Selbstverständlichkeit, und sie zu fördern bedeutet nicht nur, historisch Gewachsenes zu bewahren, sondern gerade auch Heran­wachsendes zu unterstützen. Damit setzen wir uns ein für eine unserer größten kulturellen Errungenschaften: die freiheitliche Demokratie“, sagte Markus Hilgert, der auf der Preisverleihung in Berlin für ein Recht auf kul­turelle Bildung eintrat. Ganzheitliche Bildungsprogramme mit niedrigschwelligem Zugang und nachhaltigen Strukturen, die allen Bevölkerungsgruppen offenstehen sollten, können nicht allein im schulischen Kontext oder bei etablierten Kulturinstitutionen geschaffen werden. Markus Hilgert: „Klar ist jedoch auch, dass die schulische Bildung nur die erste Rate der gesamtgesellschaft­lichen Investition in die kulturelle Zukunft unseres Landes sein kann. Um die entsprechenden Kompetenzen langfristig zu sichern, benötigen wir nichts weniger als einen nationalen Bildungspakt für Kultur und kulturelles Erbe. Dieser ‚Bildungspakt Kultur‘ wird insbesondere dann gelingen, wenn Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik gleichermaßen darin eingebunden sind.“

DER OLYMP – Zukunftspreis für Kulturbildung: Preisverleihung 2018 im Pierre-Boulez Saal in Berlin; © Foto: Stefan Gloede
DER OLYMP – Zukunftspreis für Kulturbildung: Preisverleihung 2018 im Pierre-Boulez Saal in Berlin; © Foto: Stefan Gloede

Margarete Schweizer, Projektleiterin von Kinder zum Olymp!, sieht die Entwicklung in der kulturellen Bildung in Deutschland grundsätzlich auf einem guten Weg: „Kultureinrichtungen begreifen zunehmend die Bedeutung ihres Bildungauftrags. Institutionen wie beispielsweise Museen wollen neue Zielgruppen erreichen und ihre Botschaften anders erzählen. Die pädagogischen Angebote, die längst nicht mehr frontal und in eine Richtung kommu­nizieren, sind dabei nicht Zusatzprogramm, sondern Motor dieser innova­tiven Formen. Wir brauchen beispielsweise  Kreativräume  mitten  in  den Ausstel­lungen und nicht im Keller der Museen. Die professionellen Vermittler der Institutionen brauchen mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. Denn sie haben tagtäglich die zentralen gesellschaftlichen Themen auf dem Plan: Sie kümmern sich um Integration und Inklusion, im interkulturellen Austausch liegt das große Potential der Kulturinsti­­tutionen.“

Im Juni 2019 wird Weimar zum Treffpunkt vieler Akteure der kulturellen Bildung. Die Kulturstiftung der Länder fragt auf ihrem großen Kinder zum Olymp!-Kongress: „Wie vermitteln wir unser kulturelles Erbe an Kinder und Jugendliche?“ Margarete Schweizer hat viele gelungene Projekte dafür gewinnen können, sich in Weimar zu präsentieren. Wo und wann fängt das Kulturerbe an?, diese Frage sollen Denkmalschutz, Politik und große Kulturvermittler wie z. B. die Klassik Stiftung Weimar diskutieren. Welche Zugänge haben sich in der frühkindlichen kulturellen Bildung, welche in der Grundschule und der weiterführenden Schule bewährt? Margarete Schweizer sieht besonders bei den Kommunen neue Ansätze: „Gerade in ländlichen Räumen ist der Bedarf an kultureller Bildung für alle, nicht nur für Kinder und Jugendliche, hoch, denn dort fehlen vielerorts die etablierten, gut ausgestatteten Kulturträger. Wir wollen in Weimar Programme präsentieren, bei denen die Bundesländer und Kommunen mit lokalen Projekten diese Lücken schließen.“

www.kinderzumolymp.de 

 

Die Gewinner des Zukunftspreises für Kulturbildung — DER OLYMP

Die Stiftung Brandenburger Tor, Berlin, gewinnt den Zukunftspreis für Kulturbildung in der Kategorie „Programme kultureller Bildung“: Das Programm „Max – Artists in Residence an Grundschulen“, das in Kooperation mit der Universität der Künste Berlin entstand, fördert ästhetische Bildung im Schulalltag. Die Idee: Künstlerinnen und Künstler aus allen Gattungen  richten  für  ein  Jahr  in  Schulen  im  Raum ­Berlin-Brandenburg ihr Atelier ein. Mindestens drei Tage die Woche arbeiten sie in ihren Ateliers in einer der inzwischen acht Schulen. Jenseits der Notenskala, frei von Kategorien wie richtig und falsch, gut und schlecht erfahren die Kinder hier künstlerische Gestaltungsprozesse. Zweifel an und Verwerfen von eigenen Ideen erleben sie ebenso wie Freude am eigenen Ausdrucksvermögen und am Entdecken neuer Materialien. Die Jury des Wettbewerbs sagte: „Hier werden umfassende, langfristige und kontinuierliche Begegnungen zwischen Schülerinnen und Schülern und Künstlerinnen und Künstlern ermöglicht. Das Besondere ist der gegenseitige Lerneffekt: Denn es geht primär darum, dass beide Seiten voneinander profitieren und verändert aus dem Prozess hervorgehen.“

Künstleratelier in der Picasso Grundschule, Berlin-Weißensee; © Stiftung Brandenburger Tor / Foto: Nick Ash
Künstleratelier in der Picasso Grundschule, Berlin-Weißensee; © Stiftung Brandenburger Tor / Foto: Nick Ash

Die Integrierte Gesamtschule Herder aus Frankfurt am Main gewinnt den Zukunftspreis für Kulturbildung in der Kategorie „Kulturelles Schulprofil“: Die IGS Herder nennt es „Eine Kunst für jeden“: Ob mit Film, Tanz, Theater, Performance, Design oder beim kreativen Schreiben – die Schülerinnen und Schüler sollen ihr eigenes künstlerisches Potenzial entdecken. Im Lernbereich „Kulturelle Praxis“ können alle rund 650 Herder-Schülerinnen und -Schüler in insgesamt vierzehn Wochenstunden und auf diversen Praxistagen über alle Jahrgangsstufen verteilt aus einem reichen Angebot wählen, fest verankert im Curriculum. Die Jury sagte: „Im Zentrum des Kulturprofils steht die qualitativ hochwertige Arbeit von Kulturschaffenden, verankert in einer langfristigen konzeptionellen Zusammenarbeit mit einer überwältigenden Vielzahl von externen Partnern […], verschiedenen Museen, Theatern, kulturellen Institutionen und Künstlerinnen und Künstlern. Wir sind beeindruckt von der Fülle kulturellen Schaffens an der IGS Herder.“

Präsentation der Integrierten Gesamtschule Herder bei der Preisverleihung 2018 im Pierre Boulez Saal in Berlin, © IGS Herder, Frankfurt am Main / Foto: Stefan Gloede
Präsentation der Integrierten Gesamtschule Herder bei der Preisverleihung 2018 im Pierre Boulez Saal in Berlin, © IGS Herder, Frankfurt am Main / Foto: Stefan Gloede

Die Staatliche Regelschule „Franz Kolbe“ Auma-Weidatal in Thüringen und Avantgarde Schiphorst e. V. in Schleswig-Holstein gewannen die Sonderpreise für Beiträge aus dem ländlichen Raum.

Die staatliche Regelschule „Franz Kolbe“ der Stadt Auma-Weidatal in Thüringen bildet ihre 125 Schülerinnen und Schüler zu Zeitreisenden in der Kultur­geschichte aus. Eröffnet werden den Fünft- bis Neuntklässlern  kreative  Angebote  durch  die  fünfzehn Lehrerinnen und Lehrer auch über die künstlerisch-kulturellen Fächer hinaus. Als „kulturelles Zentrum in  der  Landgemeinde   Auma-Weidatal“  begleitet  die Schule die Bewohner – gerne auch in gemeinsamen Projekten – durchs Jahr. Im Zentrum der kulturellen Arbeit steht immer wieder die eigene Region. Wie sehr dies die Identifizierung der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Heimat befördert, zeigt nicht zuletzt die erfolgreiche Initiative der 10. Klasse, das Naturdenkmal Weidatalsperre zu sichern: Die Landesregierung beschloss die Generalsanierung.

Die Jury: „Die staatliche Regelschule ‚Franz Kolbe‘ in Auma-Weidatal wird für die beispielhafte Verankerung kultureller Bildung der Schule mit dem Umfeld des ländlichen Raumes ausgezeichnet. Diese – kleine – Schule wirkt kultur- und identitätsstiftend in die Region hinein.“

„Black and White – Haute Couture in Papier“, Arbeiten der 9. Klasse der Staatlichen Regelschule „Franz Kolbe“ Auma-Weidatal; © Regelschule Franz Kolbe, Auma-Weidatal / Foto: Jörg Berger
„Black and White – Haute Couture in Papier“, Arbeiten der 9. Klasse der Staatlichen Regelschule „Franz Kolbe“ Auma-Weidatal; © Regelschule Franz Kolbe, Auma-Weidatal / Foto: Jörg Berger

Mit künstlerischen Interventionen bringen die drei Künstlerinnen von Avantgarde Schiphorst e.V. gemeinsam mit Heranwachsenden vor Ort Kunst und Kultur in den öffentlichen Raum. Das Anliegen der drei Frauen, junge Menschen dafür zu begeistern, eigenverantwortlich und selbstbestimmt lokale Ressourcen zu erkennen, um aktiv künstlerisch zu gestalten, ergänzt die Wünsche der Kinder und Jugendlichen perfekt. Mehr Mitbestimmungsrecht, mehr freie Räume zum kreativen Austoben: Danach verlangten die Heranwachsenden, als sie auf die Künstlerinnen zugingen. Entstanden ist eine kreative Zusammenarbeit, in deren Mittelpunkt die Kinder stehen. Der „Alles-ist-möglich-Mittwoch“ ist zum Herz der gemeinsamen Tätigkeit geworden. Jede Woche treffen sich 8- bis 16-Jährige seit dem Herbst 2017 im Gemeindehaus. Doch nicht nur der Ort leistet so seinen Beitrag, insbesondere die Grund- und Gemeinschaftsschule Sandesneben ist zum Partner von Avantgarde Schiphorst e. V. geworden.

Die Jury: „Was uns besonders überzeugt: Hier wird der Blick ganz bewusst nicht in die nächste große Stadt gerichtet, sondern Kunst entsteht für und aus dem lokalen Umfeld heraus… ‚Kultur auf dem Land – Kultur in der Hand!‘ hat sich zum Ziel gesetzt, ländliche Gegenden als Lebensraum attraktiver zu gestalten. Wir sind überzeugt, dass dies hier beispielhaft gelingen kann.“

Kommunalwahlkampf im Kreis Herzogtum Lauenburg: Plakate der KinderKunstGruppeSchiphorst; © Avantgarde Schiphorst e.V / Foto: AGF spirit
Kommunalwahlkampf im Kreis Herzogtum Lauenburg: Plakate der KinderKunstGruppeSchiphorst; © Avantgarde Schiphorst e.V / Foto: AGF spirit

Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner!

Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten zeichnet die Kulturstiftung der Länder Kultureinrichtungen, Künstler und Schulen mit herausragendem kulturellem Profil aus. Gefördert von der Deutsche Bank Stiftung will Kinder zum Olymp! wissen: Wo wurden nachhaltige Strukturen für kulturelle Bildung etabliert? Ganzheitliche Programme und Modelle in Kultur und Schule mit Vorbildcharakter werden im Wettbewerb prämiert.