„Als flöge sie nach Haus“

Seine Teilnahme am glorreichen Einzug in Paris nach der Niederschlagung von Napoleons letztem Sommerfeldzug, die Mühen der Textarbeit beim Novellendichten oder der Empfang des höchsten bayerischen Maximiliansordens an der Seite u. a. Alexander von Humboldts: Eichendorffs Teilnachlass wirft Schlaglichter auf ein bewegtes Leben zwischen Kampf in den Befreiungskriegen, romantischer Dichtkunst, Familienglück und –leid und preußischem Ministerialdienst.

Neben zahlreichen Manuskriptseiten bekannter Werke wie seinem Erstlingsroman „Ahnung und Gegenwart“, der Novelle „Das Marmorbild“, dem Calderón-Kapitel aus Eichendorffs Literaturgeschichte und diversen Gedichten (u.a. „Im Alter“, „Memento Mori“, „Herbst“) finden sich auch viele Korrespondenzen an und von Eichendorff, die nun in den vielfältigen Bestand der Eichendorffiana des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt a. M. (FDH) eingehen. Auch schriftliche Zeugnisse und Korrespondenzen verschiedener Familienmitglieder und prominenter Zeitgenossen wie zum Beispiel Clara Schumann und Paul Heyse versammelt die Kollektion, die auf Eichendorffs in Wiesbaden lebenden Enkel Karl zurückgeht. Seine Sammlung, die er bis 1935 bewahrte, zählte zum Gründungsbestand des ersten Eichendorff-Museums in Neisse / Schlesien. Während des Zweiten Weltkriegs mehrmals umgelagert, verlor sich die Spur der wertvollen Bestände zum Ende des Krieges in einer Gaststätte im heutigen Tschechien. Nachdem in den letzten Jahren immer wieder vereinzelte Stücke des verstreuten „Wiesbadener Nachlasses“ auftauchten, kommt nun mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Hessischen Kulturstiftung und der Fritz-Thyssen-Stiftung ein archivalischer Schatz mit Zeugnissen mehrerer Generationen von Eichendorffs Familie nach Frankfurt. Die Sammlung wurde von der Eichendorff-Forscherin Sibylle von Steinsdorff zusammengetragen.

„Und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus, / Flog durch die stillen Lande, / Als flöge sie nach Haus.“: Kaum andere Zeilen verkörpern so verdichtet die deutsche Romantik wie Eichendorffs Gedicht „Mondnacht“, das 1837 erstmals veröffentlicht wurde. Der studierte Jurist, geboren 1788, hat sich vor allen Dingen mit seiner Lyrik in die deutsche Literaturgeschichte eingeschrieben. Seine musikalische Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ allerdings, die Geschichte des Jungen, der in die Welt hinauszieht, um das Glück schlussendlich doch in der Heimat zu finden, veränderte die deutsche Epik wie wenig andere Werke seiner Zeit. Eichendorffs Schriften wurden nicht zuletzt schon zu Lebzeiten so populär, weil der Dichter tiefgründige und komplexe Gedanken und Fragestellungen in einer klaren und greifbaren Sprache erscheinen ließ.

Die Neuerwerbung verspricht nun ergiebige frische Quellen für die Eichendorff-Forschung: Biografische Aufzeichnungen, amtliche Zeugnisse, aber auch Eichendorffs Korrespondenz mit Verlegern beleuchten die Umstände seines Schaffens und liefern neben publikationsgeschichtlichen Einblicken auch Hinweise auf ökonomische Krisen der hochverschuldeten Familie. Auch im Spiegel von schriftlichen Zeugnissen seiner Kinder lassen sich neue Kenntnisse gewinnen.

Die reiche Sammlung an Eichendorff-Autographen des FDH wird durch die nun erworbenen Autographen aufs Schönste ergänzt; besonders auch deshalb, weil einzelne fragmentarische Schriften nun auf ihre Gegenstücke in der Frankfurter Sammlung treffen.