Noten für Diabelli

Eine einmalige Spendenaktion und eine großangelegte Finanzierungskoalition vieler Förderer sind an ihrem glücklichen Ende: Die Originalhandschrift der Diabelli-Variationen op. 120 – das bedeutendste Autograph von Ludwig van Beethoven (Bonn 1770–1827 Wien), das noch in Privatbesitz nachweisbar war – wurde jüngst vom Beethoven-Haus in Bonn angekauft. Ein herausragendes Stück nationalen Kulturguts ist nun für Deutschland und für die Musikinteressierten in aller Welt gesichert. 42 Blätter mit 81 beschriebenen Seiten umfasst das Autograph der Diabelli-Variationen, die Beethoven 1819 und dann wieder zwischen 1822 und 1823 – parallel zur Arbeit an seiner 9. Symphonie ­– komponierte.

Über 3.000 Spenden von Beethovenfreunden aus aller Welt gingen aufgrund eines Aufrufs des Beethoven-Hauses seit April 2007 ein. Weiterhin beteiligen sich am Ankauf folgende Stiftungen, Unternehmen und Ban­ken als Hauptförderer: die Kulturstiftung der Länder, der Beauftragte der Bundes-regierung für Kultur und Medien, das Land Nordrhein-Westfalen, die Kunststiftung NRW, die Hans-Joachim Feiter-Stiftung, die Gielen-Leyendecker-Stiftung, der General-Anzeiger Bonn, die Sparkasse KölnBonn, die Deutsche Bank, die Voss Automotive GmbH, die IVG Immobilien AG und die Deutsche Telekom. Zahl­reiche weitere Förderer und viele Benefizveranstaltungen von prominenten Künst­lern wie Kurt Masur, Daniel Barenboim, Anne-Sophie Mutter, András Schiff oder Alfred Brendel sorgten schließlich für den erfolgreichen Abschluss der Aktion. Es ist das größte Ankaufsprojekt des Beethoven-Hauses in seiner 120-jährigen Geschichte.

Anton Diabelli (1781–1858), einst Kompositionsschüler von Michael Haydn (Bruder von Joseph Haydn), kam 1803 nach Wien. Neben seiner eifrigen kompositorischen Tätigkeit war er Mitarbeiter in einem Musikverlag, in dem zahlreiche Erstdrucke von Werken Beethovens erschienen. Beethoven nannte Diabelli liebevoll-scherzhaft „Diabolus“ oder „Großprofos“, sah sich selbst hingegen als dessen „Generalissimus“. Anton Diabelli gründete später einen eigenen Verlag, in dem er eine Variationen-Sammlung herausgeben wollte. Er bat insgesamt 50 zeitgenössische Komponisten aus Wien um eine Variation über einen Walzer, den er selbst geschrieben hatte. Beethoven komponierte jedoch gleich mehrere Variationen, die schließlich in einem separaten Band erscheinen sollten. Zwischen 1819 und 1823 entstanden seine „33 Veränderungen auf einen Walzer von Anton Diabelli“ op. 120, die als das bedeutendste Variationenwerk neben Bachs Goldberg-Variationen gelten.

Wegen seiner hohen technischen und musikalischen Anforderungen galt der Zyklus lange als unspielbar. Auch für heutige Pianisten sind die Diabelli-Variationen eine Herausforderung, die nur wenige überzeugend meistern. Um sich diesem komplexen Meisterwerk nähern zu können und es besser zu verstehen, wird es nun für Interpreten und Beethoven-Liebhaber eine unverzichtbare Hilfe sein, die Originalhandschrift im Bonner Beethoven-Haus studieren zu können. Beethovens Manuskript ist keine Schönschrift, sondern unmittelbarer Ausdruck des Ringens um eine zufriedenstellende endgültige Fassung. Sie zeugt von langen konzeptio­nellen Überlegungen wie von großer Spontaneität.

In Skizzen und Briefen, die im Tresor des Beethoven-Hauses liegen, kann auch die Entstehung des Werkes im Ansatz nachvollzogen werden. Doch erst die Original­handschrift mit den letzten Korrekturen Beethovens ermöglicht ein umfassendes Verständnis. Damit Musiker, Wissenschaftler und Klassikliebhaber den Prozess nachvollziehen können, wird das Beethoven-Haus eine digitalisierte Version online verfügbar machen und eine Faksimileausgabe der Noten herausgeben.