Erwerbungen
Klevere Ansicht
Eine ideale Landschaft mit realen Elementen: Barend Cornelis Koekkoek (1803–1862), einer der großen europäischen Maler der Romantik, imaginiert in seinem 1847 entstandenen „Souvenir de Clèves“ die Stadt Kleve als Vision im duftigen Morgendunst und lockt den Betrachter seiner Stadtlandschaft auf den Spuren der Wanderer im Vordergrund in das Zentrum des Gemäldes. Hier erscheint als Teil der Stadtsilhouette leicht unterhalb der Schwanenburg prominent des Malers eigenes Haus: Koekkoek war 1834 nach Kleve gekommen, und dort errichtete er 1843 sein Atelierhaus „Belvedere“, dessen Turm mit der Statue der Göttin Minerva zu sehen ist. Im Entstehungsjahr des Bildes begannen die Bauarbeiten zu Koekkoeks Stadtpalais, das seit 1997 als B. C. Koekkoek-Haus als Künstlermuseum und Spezialmuseum für die Klever Romantik dient. Schon lange ein Wunschbild des Museums, konnte das zentrale Werk, in dem der Maler seiner niederrheinischen Wahlheimat Kleve ein Denkmal setzte, mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder auf einer Auktion in Amsterdam erworben werden.
Paukenschlag
Mit Pauken und Trompeten läutete August der Starke im Jahre 1719 die prächtige vierwöchige Vermählung seines ältesten Sohnes und Thronfolgers Friedrich August mit der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha ein. Zwei silberne und zum Teil vergoldete Kesselpauken zeugen noch heute vom extravaganten Hochzeitsmarathon aus Banketten, Bällen sowie Theater- und Opernaufführungen, die in den mehrtägigen „Planetenfesten“ gipfelten und zu denen Georg Friedrich Händel eigens aus London anreiste. Johann Jacob Irminger (1633–1724) – hochbegabter Goldschmied am sächsischen Hofe und bedeutender Modellformer der Meißener Porzellanmanufaktur – trieb die beiden auf Löwenklauen thronenden Instrumente aus Silber. Fein ziselierte er die bekrönten Wappen des Königreiches Polen, des Großherzogtums Litauen und des Kurfürstentums Sachsen, die von einem weit ausgespannten königlichen Hermelinmantel umrahmt werden. Die beiden Kesselpauken gehören zu einer Vielzahl von Requisiten der höfischen Repräsentation, die nach 1945 dem Haus Wettin A. L. entzogen wurde. Nach der Restitution führen die beiden Kesselpauken in der Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nun dauerhaft die facettenreiche Wettiner Hofkultur vor Augen.
Ausverkauf
Zu einem Schaufensterbummel der intellektuellen Art laden die Vitrinenarrangements Josephine Mecksepers ein. Die 1964 in Lilienthal geborene, heute in New York arbeitende Künstlerin vermischt in ihren Fotografien, Filmen, Collagen und Schaukästen meist die glamouröse Warenwelt mit Zeichen der Gegenkultur für hintersinnige Kommentare zu Politik und Konsumgesellschaft. Fest in eine Wand eingelassen, stehen zukünftig im Kunstmuseum Stuttgart zum Schlussverkauf: ein Herrenhemd samt Krawatte, eine Feinstrumpfhose, ein Damenslip, eine Geschichte der anarchistisch-antikapitalistischen Guerillagruppe „Angry Brigade“, billiger Modeschmuck, teure Düfte von Tiffany und Jean Baudrillards philosophischer Essay „Laßt euch nicht verführen!“. Die auf den ersten Blick unvereinbaren Objekte zwischen Parfumflakon und Protestkultur entpuppen sich durch geschickt angebrachte Spiegel als edel ausgeleuchtete Pappaufsteller und die Bücher als inhaltsleere Hefte im fotokopierten Einband. Das Werk „Selling Out“ (2004) – Mecksepers erste installative Schauwerbegestaltung, die längst zum Markenzeichen der Künstlerin avancierte – bildet ein groteskes Sammelsurium, das den Gegensatz von Kaufhaus und Kapitalismuskritik als puren Schein entlarvt, da die Codes der Revolte längst als „Radical Chic“ vom Warensystem absorbiert wurden.
Bach in Bestform
So kennt ihn die Welt – trotz leichter Drehung des Kopfes nimmt er den Betrachter hypnotisch in den Blick, bei aller Strenge huscht eine fast unmerkliche ironische Stimmung durch seine Augen: Im Jahr 1746 verewigte Elias Gottlob Haussmann den Thomaskantor Johann Sebastian Bach (1685–1750) im Zenit seines Schaffens, das Konterfei prägt bis heute die physische Vorstellung vom großen Komponisten. Das originale Bildnis – das einzig gesicherte Zeugnis von Bachs Äußerem – befindet sich im Leipziger Stadtgeschichtlichen Museum, es ist heute jedoch durch Retuschen aus dem 19. Jahrhundert ziemlich entstellt, gutgemeinte Restaurierungsversuche verschleiern den einst klaren Blick des Komponisten. Im Leipziger Bach-Archiv war man deswegen elektrisiert, als im fernen Philadelphia eine kostbare historische Kopie von Haussmanns Porträt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts versteigert werden sollte. In wenigen Tagen mussten die nötigen Mittel für ein belastbares Gebot aufgebracht werden, was mit Hilfe u. a. der Kulturstiftung der Länder glückte. Die vom Leipziger Bach-Archiv erworbene Kopie ist im Vergleich zu Haussmanns ruinösem Original reich an Nuancen und physiognomischen Details. Im äußeren Zustand gleicht das Verhältnis der Bilder eher dem entfernt verwandter Vettern. Die Version aus der amerikanischen Privatsammlung – dessen Künstler, Auftraggeber und Entstehungsjahr noch im Dunkeln liegen – kehrte nach Leipzig zurück, wo es sich bis in die 1950er Jahre in der Privatsammlung von Wilhelmine Burkhardt befunden hatte. Eine grundlegende Restaurierung des Bildes machte zudem die im Original verlorenen Züge des berühmten Komponisten detailreich sichtbar. In einem Forschungsprojekt untersucht das Bach-Archiv nun eine Reihe von Porträts des Komponisten – dabei wollen die Wissenschaftler auch den Rätseln des Bach-Bildnisses auf die Spur kommen und das genaue Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kopie und Original klären.
Band um Band
Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster (1766–1839) und seine Ehefrau Wilhelmine Charlotte, geborene Gräfin zu Schaumburg-Lippe (1783–1858) hatten einen universellen Bildungshunger. Band um Band sammelten sie über die Jahre Weltwissen im heimischen Bücherschrank und bauten ihre gemeinsame Bibliothek systematisch auf: von juristischer, naturwissenschaftlicher und militärhistorischer Literatur über populäre Druckwerke zu Religion, Kirchengeschichte und Moral bis hin zu den Klassikern Goethe und Schiller. Auf dem Familiensitz Schloss Derneburg wurde der Bücherschatz aufbewahrt – und intensiv studiert. So illustrieren es jedenfalls die zahlreichen Randnotizen ihrer bibliophilen Besitzer und die eingelegten Briefe mit Widmungen verschiedener Schenker. Doch auch zwischen den Seiten vergessene Rechnungen und gepresste Blütenblätter verraten, dass es sich bei den kostbaren Beständen um eine Gebrauchsbibliothek handelte.
Als hannoverscher Staatsminister zählt der erste Graf Münster zu den wirkungsmächtigsten politischen Persönlichkeiten im norddeutschen Raum des frühen 19. Jahrhunderts. Die von den Erben übernommene sogenannte Derneburger Bibliothek spiegelt – fast vollständig erhalten – nicht nur die breitgefächerten Interessen ihrer adligen Besitzer wider, sondern ermöglicht darüber hinaus einen authentischen Einblick in das politische und gesellschaftliche Umfeld des einflussreichen Staatsministers. Jüngst konnte die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek in Hannover dieses rund 2.000 Einzelbände umfassende Konvolut erwerben und damit ein herausragendes Zeugnis hannoverscher Landes- und Kulturgeschichte für die Zukunft sichern.
Die Spur des Löwen
Der Nürnberger Flaschner Johann Fronhoffmann verstand es wohl, mit der Büchse zu zielen – war er doch im Jahre 1712 beim „Churfürstl: hauptschiessen“ in Bamberg der „beste unter 226 Schitze“, wie eine Gravur auf dem prunkvollen Preispokal überliefert. Lothar Franz von Schönborn (1655–1729) – Mainzer Kurfürst und Fürstbischof von Bamberg – stiftete die Goldschmiedearbeit in Form des Schönborn’schen Wappentieres: Der Nürnberger Meister Johann David Pfaff (1686–mind. 1719) trieb den zweischweifigen Löwen aus vergoldetem Weißsilber, ziselierte seine feine Mähne und ließ ihn über einen mit reichem Laub und Bandelwerk verzierten Fränkischen Rechen balancieren. Das abnehmbare bekrönte Haupt des heraldischen Schützenpreises diente als Trinkgefäß. Nach dem Turniersieg Fronhoffmanns verlor sich die Spur des Löwen für über 200 Jahre: Ab 1914 befand sich die exquisite Silberarbeit in drei bedeutenden Sammlungen jüdischer Bürger: zunächst bei C.M. von Rothschild und Max Baer in Frankfurt und darauf bei der Hamburger Sammlerin Emma Budge. Von der Stadt Bamberg 1937 auf einer unter NS-Verfolgungsdruck durchgeführten Auktion des Budge-Nachlasses weit unter Wert ersteigert – wobei der Erlös auf Sperrkonten des Dritten Reiches floss –, handelt es sich beim Löwenpokal um einen Fall von Raubkunst, wie die Provenienzforscherin der Bamberger Museen Anne-Christin Schneider feststellte. Nach 77 Jahren erwarb die Stadt Bamberg das barocke Zeugnis fränkischer Edelschmiedekunst nun rechtmäßig von den Erben Budges. Der Löwe wird ab 2015 als Prunkstück in der Dauerausstellung „Jüdisches in Bamberg“ im Historischen Museum von einer einst blühenden jüdischen Sammelkultur künden.