„Waldweiher“ zurück in Taganrog

Vor fast 75 Jahren raubte eine Propa­ganda­abteilung der Wehrmacht Vasilij D. Polenovs (1844 –1927) „Waldweiher“ von 1881, nun kehrte das Bild zurück ins südrussische Taganrog. Dass die Odyssee von Polenovs Ölgemälde ihr glückliches Ende gefunden hat, wurde dort mit einem großen Festakt gefeiert.

Ein Ausstellungskatalog von 1913, eine historische Fotografie, ein auf 1928 datiertes Inventarbuch, das Verlustprotokoll von 1943 und weitere Dokumente und Quellen belegen, was die Verantwortlichen der Kunsthalle zu Kiel bereits 2015 vermutet hatten: Die Deutschen hatten das idyllische Landschaftsgemälde aus dem südrussischen Taganrog als Kriegsbeute in den Westen entführt.

Vasilij Dmitrievič Polenov, Waldweiher, 1881, 90,5 x 134,5 cm; Staatlicher Literatur- und Architekturhistorischer Museumspark Taganrog; © Foto: Kunsthalle zu Kiel
Vasilij Dmitrievič Polenov, Waldweiher, 1881, 90,5 x 134,5 cm; Staatlicher Literatur- und Architekturhistorischer Museumspark Taganrog; © Foto: Kunsthalle zu Kiel

Die Wehrmacht hatte Taganrog am 17. Oktober 1941 besetzt. Am 27. August 1943, nur drei Tage vor der Befreiung der Stadt durch die Rote Armee, gehörte das Ölgemälde aus dem Stadtmuseum zum zweiten Abtransport der Abteilung für Propaganda der Deutschen Armee unter Sonderführer Lebert.

16 Jahre später, am 26. August 1959, erwarb der Schweinfurter Industrielle Georg Schäfer (1896 –1975) das Gemälde in der Münchener Kunsthandlung Hagmann & Gräf. Seine Erbengemeinschaft veräußerte es 1986 mit zwölf weiteren Werken an den ersten Direktor der Kieler Kunsthalle, Jens Christian Jensen (1928–2013). Dass es wieder an seinem historischen Platz hängt, ist auch ein Verdienst des Deutsch-Russischen Museumsdialogs (DRMD), der die Verlustgeschichte in Kooperation mit der Kunsthalle zu Kiel und dem Staatlichen Literatur- und Architekturhistorischen Museums­park Taganrog rekonstruierte. Ein Anruf von Direktorin Anette Hüsch hatte den DRMD in die vorbildliche Provenienzrecherche der Kunsthalle Kiel zu jüdischem Kunstbesitz in der Sammlung involviert. In diesem Kontext war die kyrillische Aufschrift auf der Rückseite aufgefallen.

Polenovs „Waldweiher“ war eines von mehr als 4.500 Kunstwerken, die Taganrog  während  der  deutschen ­Okkupation verloren hatte, 73 kehrten aus den Central Collecting Points der Alliierten zurück. Das Gemälde konnte mit Unterstützung des Generalkonsulats der Russischen Föderation in Hamburg und der Russischen Botschaft in Berlin in bewährt guter Kooperation per Diplomatenkurier nach Taganrog zurückkehren.

Der Deutsch-Russische Museums­dialog hat sich zu einem wichtigen Fundament deutsch-russischer Kulturbeziehungen entwickelt. Er wurde 2005 in Berlin gegründet, um Aktivitäten und Kontakte zwischen deutschen und russischen Museen auf der Fachebene zu ermöglichen oder zu intensivieren und kollegial-vertrauensvolle Zusammenarbeit zu fördern. Im Fokus steht die gemeinsame Erforschung der deutschen wie der russischen Kriegsverluste. Der Dialog wurde initiiert von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Kulturstiftung der Länder und über 80 deutschen Museen.