Chefsache Kulturbildung
Am heutigen Freitag endet das zweitägige Gipfeltreffen zur kulturellen Bildung in Dessau: Dort trafen sich am 23. und 24. Juni anlässlich des Kinder zum Olymp!-Kongresses „Selbstverständlich! Kulturelle Bildung in der Schule“ über 500 Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland. Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes veranstalteten den Kongress.
Der fünfte Kinder zum Olymp!-Kongress stellte die Schule in den Mittelpunkt der Diskussionen und Foren und stellte die zentralen Fragen: Wie kommen Kunst und Kultur in die Schule? Was brauchen Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer wirklich, damit sie kulturelle Bildung im Schulalltag verankern und ihre Schüler dafür begeistern können? Welche politischen Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden?
Wichtigste Schwerpunkte und Ergebnisse des Kongresses:
- Die Kompetenz und die Sensibilität von Kindern und Jugendlichen sollten schon bei der Planung und Gestaltung von Angeboten wertgeschätzt und respektiert werden: Partizipative kulturelle Bildungsprojekte brauchen aber auch Sprachbrücken und die Vielfalt methodischer Ansätze, um auf die jeweiligen Besonderheiten einer Gruppe reagieren zu können. Partizipation heißt, Veränderungsprozesse aushalten zu können, und auch ein Scheitern im Verlauf eines Projekts muss möglich sein; ohne Konfliktfähigkeit ist keine gute Konzeption von kultureller Bildung möglich. Dafür müssen die Lehrerinnen und Lehrer aber unabdingbar Unterstützung von der Schulleitung erhalten.
- Kulturelle Bildung in der Schule braucht strukturelle Sicherheit und langfristige Partnerschaften; dafür müssen die kulturellen Angebote vom Projektstatus befreit werden. Unabdingbar ist eine feste Anbindung und Verankerung der kulturellen Bildung in den Lehrplänen, um Lehrerinnen und Lehrern die Freiräume für ästhetische Bildung zu garantieren. Starre Zeitstrukturen des Unterrichts in den Schulen sollten dabei auch ausgewiesenen Projektzeiten weichen können, um den besonderen Anforderungen der künstlerischen Projekte gerecht werden zu können. Kulturelle Bildung wird nur selbstverständlich, wenn sie Einzug hält in den regulären Schulalltag, in die Zeitplanung und die Fächerstruktur.
- Aber nicht nur mehr Zeit für kulturelle Angebote ist wichtig, Kinder und Jugendliche sollten auch für den gestalteten Raum, in dem Projekte stattfinden, sensibilisiert werden; Fragen des Schulbaus und die Architekturvermittlung sollten stärker in den Mittelpunkt der Planung und Vermittlung kultureller Bildungsangebote rücken.
- Kulturelle Bildung muss Chefsache sein, sowohl in den Schulen als auch in den kulturellen Institutionen, kulturelle Bildung darf nicht Aufgabe einer Fachabteilung sein, sondern Auftrag für das ganze Haus. Die kulturelle Bildung ist eine Qualifikation, zu der jeder Lehrer Zugang haben sollte.
- Weiterhin braucht die kulturelle Bildung dringend mehr institutionelle Unterstützung bei der Vernetzung und Finanzierung der Angebote sowie in der personellen Ausstattung: Die Teilnehmer wünschten sich dafür eine stärkere koordinierende Rolle von Kommunen, Ländern und Bund bei der dauerhaften Absicherung. Professionelle Netzwerkstrukturen zwischen Kommunen, Schule und kulturellen Institutionen sollten aufgebaut und dauerhaft unterstützt werden.
Einige Statements der Veranstalter und Förderer zum 5. Kongress von Kinder zum Olymp!:
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder: „Unser zentraler Appell, kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche zur Chefsache zu machen, hat erfreulicherweise in den letzten Jahren viel Widerhall in den Museen, Theatern, in Musikschulen und Orchestern und den Schulen gefunden. Kunst- und Kulturangebote in den Schulen aber vom Projektstatus zu befreien, die ästhetische Bildung aufzuwerten und den Schülerinnen und Schülern als festen Bestandteil ihres Schulalltags kreative Angebote machen zu können – dafür brauchen Lehrerinnen und Lehrer endlich mehr Freiräume in den Lehrplänen und mehr finanzielle Mittel zur Realisierung. Deshalb appelliere ich an die Kultusminister der Länder, gerade die Kooperationen zwischen Schule und Kultur noch stärker auch politisch zu fördern.“
Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes: „Es fehlt in der Kulturellen Bildung und in der Vermittlung nicht an guten Ideen und hervorragenden Projekten. Sondern an sozialer Reichweite, an realen und nicht nur theoretischen Zugangsmöglichkeiten für alle. Und an verbindlichen Qualitätskriterien. Von der Notwendigkeit der Vermittlung haben große Modellprogramme und Initiativen schon überzeugt; nun müssen wir mit vereinten Kräften daran arbeiten, die Kunst der Vermittlung als integralen Bestandteil unseres Bildungsalltags zu etablieren.“
Stephan Dorgerloh, Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt: „Gestalten, forschen, beschreiben und inszenieren sind Zutaten der kulturellen Bildung. Ohne sie kommt keine Schule mehr aus, die Kreativität und Ästhetik fördern möchte. So ist die Schule längst ein Teil der Kulturlandschaft geworden und steht in einem lebendigen Austausch mit Künstlern und Kultureinrichtungen. Insbesondere Musik und darstellendes Spiel, Tanz, Theater, Film und Literatur sind integraler Bestandteil des Schulalltags. Kinder und Jugendliche werden mit Unterstützung der Schule zu Entdeckern und Gestaltern ihrer eigenen Welten voller spannender Geschichten, lebendiger Bilder, spielerischer Momente, Klänge.“
Dr. Burkhard Hense, Vorstand PwC-Stiftung Jugend – Bildung – Kultur: „Die PwC-Stiftung setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, junge Menschen partizipativ so an Kunst und Kultur heranzuführen, dass sie diese neue Welt weitgehend selbstbestimmt für sich entdecken können und damit an Persönlichkeit und Urteilskraft gewinnen. Bei allem gewachsenen Stellenwert der Kulturellen Bildung in Schule geht es nun darum, die nachhaltige Verankerung der Angebote im Rahmen des Unterrichts zu sichern.“
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung: „Kulturelle Bildung sollte gesellschaftliche Relevanz besitzen und dabei einen Begriff von Kultur als Soziokultur – nicht als Hochkultur – zugrunde legen. Sie darf keinesfalls top down verlaufen. Da die Auseinandersetzung mit Kultur kein rein ästhetischer Akt ist, sondern die Teilnahme an einem kulturellen Diskurs der Gesellschaft impliziert, muss sie sich für eine aktive Teilhabe öffnen. Kulturelle Bildung in der Schule sollte sich in einem kommunikativen Prozess entwickeln, in dem sich alle Beteiligten, also auch Schülerinnen und Schüler, über Ziele, Wege und Methoden verständigen.“
André Bücker, Generalintendant Anhaltisches Theater Dessau: „Es ist eine besonders wichtige Aufgabe der Zukunft, die Möglichkeiten für kulturelle und ästhetische Bildung entscheidend zu verbessern. Für Kinder und Jugendliche ist es von besonderer Bedeutung, Kulturtechniken zu erlernen und die Zeichensprache der Kunst zu begreifen. Vor allem Musik und Theater sind wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. Auch aus diesem Grunde hat das Anhaltische Theater Dessau die Vermittlung von kultureller Bildung als Ziel in seine Betriebssatzung aufgenommen.“
Klemens Koschig, Oberbürgermeister der Stadt Dessau-Roßlau: „Wo, wenn nicht in der Schule, ist der Ort für gute und ausgewogene kulturelle Bildung? Und in der Schule zeigt sich, wie es bei uns mit der Kultur bestellt ist.“
Tagungsort des zweitägigen Gipfeltreffens zur kulturellen Bildung war in diesem Jahr das Anhaltische Theater Dessau, auch in den zwei Weltkulturerbestätten Bauhaus Dessau und Gartenreich DessauWörlitz gab es Veranstaltungen. Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes folgten einer Einladung des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt. Partner des Kongresses sind die PwC-Stiftung Jugend-Bildung-Kultur, die Bundeszentrale für politische Bildung, das Kultusministerium Sachsen-Anhalt sowie das Anhaltische Theater Dessau.
Im Herbst 2003 wurde die Bildungsinitiative Kinder zum Olymp! von der Kulturstiftung der Länder mit dem Ziel gestartet, die Protagonisten von Kultur und Bildung für das Thema der Kulturvermittlung neu zu sensibilisieren. Seitdem setzt sich Kinder zum Olymp! für mehr Kooperationen zwischen Schulen und kulturellen Institutionen und/oder Künstlern ein. Kinder und Jugendliche sollen so für kulturelle und künstlerische Aktivitäten begeistert werden. Neben den veranstalteten Kongressen – 2004 fand der erste Kongress in Leipzig statt, weitere in Hamburg, Saarbrücken und München – werden im jährlich ausgelobten bundesweiten Wettbewerb die besten kulturellen Kooperationsprojekte mit den begehrten Kinder zum Olymp!-Preisen ausgezeichnet.