Förderungen

Bethlehem in Bayern

Fritz von Uhde, Gang nach Bethlehem, 1890, 92  × 110 cm; Museum Wiesbaden; © Museum Wiesbaden / Foto: Bernd Fickert
Fritz von Uhde, Gang nach Bethlehem, 1890, 92  × 110 cm; Museum Wiesbaden; © Museum Wiesbaden / Foto: Bernd Fickert

Stützend hingewandt zur Frau an seiner Seite, blickt der schlicht gekleidete Mann unter seiner frostbesetzten Mütze hervor auf ihr zu Boden gesenktes Gesicht. Vor ihnen verliert sich der überfrorene Weg in Nebelschwaden. Lediglich die einfachen Behausungen am Wegesrand verheißen Zuflucht in der un­wirtlichen Winterlandschaft. In seinem Öl­gemälde „Gang nach Bethlehem“ von 1890 übersetzte der Maler Fritz von Uhde (1848 –1911) eine Szene der Weihnachts­geschichte in seine Gegenwart, verlegte das christliche Bildmotiv vor die Tore seiner Wahlheimat: Es ist die Landschaft im Dachauer Moos, so lassen Vorstudien erkennen, durch welche sich das Paar mühsam bewegt. Die Bildtraditionen religiös aufgeladener Landschafts- und säkularer Genremalerei verbindend, lässt der Künstler impressionis­tische Momente in der vom Realismus geprägten Bildwelt aufschimmern.

Auftraggeber dieses im Detail über­raschend modernen Werks war der Berliner Verleger, Kunstsammler und Philanthrop Rudolf Mosse (1843 –1920). Nach dessen Tod ging seine umfangreiche Sammlung – im sogenannten Mosseum, dem neobarocken Stadtpalais am Leipziger Platz der Berliner Öffentlichkeit zugänglich – in den Besitz seiner Tochter Felicia Lachmann-Mosse (1888 –1972) über. Bis zum Ende der Weimarer Republik hatte die Verlegerfamilie gegen antisemitische und antidemokratische Tendenzen gekämpft. Kurz nach der Machtübernahme wurde das bereits unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise leidende Unternehmen von den Nationalsozialisten liquidiert und die als Juden verfolgten Nachkommen des Berliner Kunstmäzens ins Exil getrieben. Nun in den Händen des Regimes, kam die wertvolle Sammlung Mosses am 29. und 30. Mai 1934 unter den Hammer. Im Auktionshaus Rudolf Lepke erstand Carl Braunstein das Gemälde „Gang nach Bethlehem“. Über 40 Jahre später gelangte das Werk aus der Sammlung Friedrich und Rosa Klein als Stiftung in das Museum Wiesbaden. Die Recherchen zur Provenienz des Bildes führte Miriam Merz von der Zentralen Stelle für Provenienzforschung in Hessen durch. 2016 an die Erben nach Rudolf Mosse restituiert, konnte das Museum das Meisterwerk nun erwerben.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Hessische Kulturstiftung

 

Frühstück bei Helena

Iwar Wenfeldt Buch, Goldenes Déjeuner aus der Mitgift der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, 1799, 13-teilig, Breite des Tabletts 60 cm; Staatliches Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow; © Staatliches Museum Schwerin / Foto: Gabriele Bröcker
Iwar Wenfeldt Buch, Goldenes Déjeuner aus der Mitgift der Großfürstin Helena Pawlowna von Russland, 1799, 13-teilig, Breite des Tabletts 60 cm; Staatliches Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow; © Staatliches Museum Schwerin / Foto: Gabriele Bröcker

Die sagenhaften Mitgiften der russischen Großfürstinnen – von Katharina II. als Fami­lien­tradition etabliert –  überstanden nur stark fragmentiert die Zeitläufte. Umso erfreulicher, dass ein solches Rarissimum über den Kunstmarkt für das Staatliche Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow gesichert werden konnte: Um die Jahreswende 1798/99 von dem Petersburger Goldschmied Iwar Wenfeldt Buch (1749­ –1811) gefertigt, gehörte das massiv goldene Tee- und Kaffeeservice zur Brautausstattung Helena Pawlownas (1784 – 1803) anlässlich ihrer Vermählung mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (1778 –1819). Buchs Entwurf im damals hochaktuellen Formenrepertoire des Empire setzt das kostbare Material mit raffinierter Einfachheit in Szene, wobei der impe­riale Anspruch des luxuriösen Ensembles nicht zuletzt in den antikisierenden Ornamenten – Perlenschnüren, Akanthus- und Lorbeerblättern – sichtbar wird. Als Zeugnis der dynastischen Allianz beider Häuser wird das Déjeuner nach der Restaurierung des Westflügels in Schloss Ludwigslust für die Öffentlichkeit glänzen.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung, Ostdeutsche Sparkassenstiftung, Sparkasse Mecklenburg-Schwerin

 

Damenstiftung

Liesborner Evangeliar, Überschrift und Anfang des Evangeliums nach Lukas, S. 174–175, um 1000 n.Chr., 30 × 24 cm; Museum Abtei Liesborn des Kreises Warendorf; © Les Enluminures
Liesborner Evangeliar, Überschrift und Anfang des Evangeliums nach Lukas, S. 174–175, um 1000 n.Chr., 30 × 24 cm; Museum Abtei Liesborn des Kreises Warendorf; © Les Enluminures

Verziert mit den Symbolen der vier Evangelisten und einer Kreuzigungsdarstellung kommt der hölzerne Schmuckeinband einer vornehmen Untertreibung gleich (s. S. 5). So sind die Buchdeckel aus dem 15. Jahrhundert bereits für sich genommen von bemerkenswerter Schönheit, tatsächlich aber nachträgliche Beigaben zur eigent­lichen Sensation: Aufgeschlagen bieten sie die 340-seitige, viel ältere Handschrift des Liesborner Evangeliars dar. Gleich auf der zweiten Seite deutet ein Widmungsvers auf Entstehungsort und -zeit des liturgischen Schatzes hin. Die Zeilen erwähnen die Äbtissin Berthildis, die das Evangeliar zu Ehren des heiligen Simeon, dem Patron des Liesborner Klosters, stiftete. Bei der Stifterin Berthildis handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um jene Äbtissin, die zwischen Mitte und Ende des 11. Jahrhunderts als eine der letzten dem Liesborner Damenstift vorstand. Als das Stift 1131 in eine Benediktiner-Abtei umgewandelt wurde, verblieb das Manuskript der vier Evangelientexte bis zur Säkularisation 1803 im Liesborner Kloster. Bis 1826 in der Universitätsbibliothek Münster verwahrt, wechselte der kostbare Kodex danach über fast zwei Jahrhunderte hinweg immer wieder den Eigentümer, gelangte in Privatsammlungen unter anderem in England, Norwegen und zuletzt in den USA. Der Schulterschluss von zehn Förderern ermöglichte der mittelalterlichen Handschrift jetzt die Rückkehr an ihren ursprünglichen, west­fälischen Bestimmungsort: Vom Kreis Warendorf erworben, kann das kostbare Buch zukünftig im Museum Abtei Liesborn bewundert werden.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Sparkasse Münsterland Ost, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Ernst von Siemens Kunststiftung, Bistum Münster, Land Nordrhein-Westfalen, Kunststiftung NRW, Rudolf-August Oetker-Stiftung, Sparkassenverband, Freunde des Museums Abtei Liesborn

 

Ausgegrabene Neuigkeiten

© SLUB Dresden / Foto: Ramona Ahlers-Bergner
© SLUB Dresden / Foto: Ramona Ahlers-Bergner

Sieben Briefe, verfasst auf insgesamt 18 eng beschriebenen Seiten, sowie sechs nicht abgesendete Entwürfe auf zehn Seiten geben unvergleichliche Einblicke in Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) Leben und Wirken in Rom. Im Dienste römischer Kardinäle arbeitete der Begründer der wissenschaft­lichen Archäologie ab 1755 in der italienischen Antiken-Hauptstadt. Im stetigen Austausch mit dem kursächsischen Hof erstattete der Altertumsforscher in regelmäßigen Abständen von 1759 bis 1761 Bericht: Seine eigenhändigen, in italie­nischer Sprache verfassten Briefe adressierte er an den kurprinzlichen Ober­hofmeister Graf Wackerbarth-Salmour (1685 –1761), der wiederum den sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian (1722 –1763) und dessen Gemahlin über Winckelmanns Neuigkeiten aus Rom unterrichtete. Seit sich der Altertumswissenschaftler in Dresden der königlichen Antikensammlung gewidmet hatte, förderte ihn das Kurprinzenpaar und ermöglichte ihm auch den Studienaufenthalt in Italien.

Kern der Mitteilungen sind die Beschreibungen archäologischer Fundstücke, die Winckelmann für seine im Entstehen begriffenen Schriften untersuchte: Von einer besonders schönen Venusstatue ohne Kopf bis zu einer gut erhaltenen, aber „künstlerisch mittelmäßigen“ Perseus-Andromeda-Gruppe bewertet der Kunsthistoriker sprachgewaltig und fachkundig die antiken Ausgrabungen. Anfang 2017 wurde das Konvolut im österreichischen Antiquariatshandel angeboten, worauf die Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) – passend zum 300. Geburtstag ­Winckelmanns – den sensationellen Ankauf forcierte.

Förderer dieser Erwerbung: Kultur­stiftung der Länder, Ernst von Siemens Kunststiftung

 

Lehr-Reich

Alfred Arndt, Konsum Genossenschaft. E.G.M.B.H Bäckerei Jena (Plakatentwurf), 1923, 50 × 72 cm; Bauhaus Dessau; © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Stiftung Bauhaus Dessau / Archiv Alfred und Gertrud Arndt, Hugo Arndt / (Arndt, Alfred)
Alfred Arndt, Konsum Genossenschaft. E.G.M.B.H Bäckerei Jena (Plakatentwurf), 1923, 50 × 72 cm; Bauhaus Dessau; © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Stiftung Bauhaus Dessau / Archiv Alfred und Gertrud Arndt, Hugo Arndt / (Arndt, Alfred)

Gelber Kreis und rotes Quadrat auf weißem Grund, darüber schwarze und rote Druckbuchstaben: Diese Bäckerei-Werbung, den klaren Formmotiven der Bauhausschule verpflichtet, gehört zu den bedeutendsten der über 550 Objekte aus dem Nachlass des Ehepaars Gertrud (1903 –2000) und Alfred Arndt (1898 –1976). Mit dem Erwerb des Konvoluts von den Nachkommen gewinnt die Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau an Profil: Die Arbeiten der am Bauhaus ausgebildeten Arndts – sie zur Weberin, er zum Architekten – geben neue Einblicke in die dortige innovative Lehre. Graphische Blätter aus der Hand Alfred Arndts, entstanden im Vorkurs Johannes Ittens, dem Unterricht Wassily Kandinskys, Paul Klees und Oskar Schlemmers, aber auch die textilen und fotografischen Arbeiten Gertrud Arndts zeigen experimentelle Zugriffe auf traditionsreiche Kunst- und Kulturtechniken.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Lotto Sachsen-Anhalt

 

Fantastische Fuge

Als der junge Komponist und glühende Bach-Verehrer Max Reger (1873 –1916) im Februar 1900 zu einem Orgelwerk ansetzte, das der Bewunderung für sein großes Idol Ausdruck verleihen sollte, erholte sich der 27-Jährige gerade von einem leidvollen Lebensabschnitt. Ausbleibender beruf­licher Erfolg, Schulden und eine schwere Erkrankung hatten ihn in die Alkoholsucht getrieben und schließlich zu einem Nervenzusammenbruch geführt. Aus seiner Studienstadt Wiesbaden zog er zurück in sein Elternhaus im oberpfälzischen Weiden, wo ihn schon bald eine unverhoffte Produktivität ergriff: Innerhalb von zwei Wochen schuf er mit der expressiven und modulationsreichen, äußerst komplexen Komposition „Phantasie und Fuge über B-A-C-H für Orgel op. 46“ nicht nur einen Glanzpunkt seines eigenen Œuvres, sondern zugleich eines der kühnsten Werke, das je für die Orgel erdacht worden ist – eine Komposition, mit der sich der Spät­romantiker Reger als Neuerer der Orgelmusik in die Musikhistorie einschreiben sollte. Neben der als Stichvorlage dienenden Handschrift fertigte Reger eine weitere Reinschrift an, um sie seinem Freund Karl Straube (1873 –1950) anheimzugeben: Der spätere Thomas-Organist war Regers Lieblingsinterpret und brachte zahlreiche seiner Orgelkompositionen zur Uraufführung. Auch die „Phantasie und Fuge über B-A-C-H für Orgel op. 46“ erklang erstmalig durch das Spiel des Orgelvirtuosen bei seiner Darbietung im Juni 1900 im Willibrordi-Dom zu Wesel. Für das Max-Reger-Institut in Karlsruhe ist die Erwerbung dieses Schlüssel­werkes ein wahrer Glücksfall: Ergänzt es doch die Sammlung um die letzte noch fehlende von zehn Handschriften der großen Orgelwerke Regers, die er eigens für Karl Straube anfertigte.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Berthold Leibinger Stiftung

 

Ich selbst

Gabriele Münter, Selbstbildnis, um 1909, 49 × 33,5 cm; Schloßmuseum Murnau; © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Schloßmuseum Murnau
Gabriele Münter, Selbstbildnis, um 1909, 49 × 33,5 cm; Schloßmuseum Murnau; © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / Foto: Schloßmuseum Murnau

Kein Hut, keine Schleife, kein Schal: Schlicht und unprätentiös inszenierte sich Gabriele Münter (1877–1962) in ihrem um 1909 entstandenen Selbstporträt. Mit unverwandtem, offenen Blick sieht die Künstlerin ihr Gegenüber bzw. ihr Spiegelbild an – die Haare zur Hochsteckfrisur aufgetürmt, der Malerkittel einfach und schmucklos. Im Gegensatz zu früheren Selbstbildnissen zeugt das Porträt von einer selbstkritischen Momentaufnahme, in der sich Münter erstmals ausdrücklich als schaffende Künstlerin in den Mittelpunkt stellt. Aus breiten Pinselstrichen ist ihr Bildnis zusammengesetzt, Vorzeichnung und bloßer Malgrund sind geschickt in die Gesamtgestaltung eingebunden. Violette Reflexe auf den Gesichtszügen und dem Kragen brechen die gedeckte Farbpalette.

Einen großen Teil ihres ­schaffensreichen Lebens verbrachte Gabriele Münter im oberbayerischen Murnau. Vom Lichtspiel der Natur um den Staffelsee zu farbintensiven Landschafts­gemälden inspiriert, erwarb die Künstlerin dort 1909 ein Sommerhaus, das sie zeit­weilig zu­sammen mit Wassily Kandinsky bewohnte. Das Haus wurde zur Begegnungsstätte der expressionistischen Avantgarde, darunter Alexej Jawlensky und Marianne von Werefkin. Auch Franz Marc, der sich hier mit Kandinsky über die Redaktionsarbeit am Almanach „Der Blaue Reiter“ beriet, sowie Heinrich Campendonk, Paul Klee und August Macke waren gerne zu Gast. In dieser frühen und prägenden Murnauer Zeit entstand Münters Selbstpor­trät – eine Zeit, in der die Künst­lerin immer stärker zu ihrem eigenständigen Ausdruck fand, vom Spätim­pressionismus zu einem freieren, expressiven Stil. Seit seiner Eröffnung 1993 als Leihgabe im Schloßmuseum Murnau, hätte der drohende Verlust des einzigen Selbstbildnisses der Künstlerin eine schmerz­liche Lücke in der Dauerausstellung hinterlassen. Umso größer ist dort die Freude, dass jenes bedeutende Werk nun langfristig für die Öffentlichkeit gesichert werden konnte.

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der Länder, Werner und Erika Krisp-Stiftung, Ernst von Siemens Kunststiftung