Hoch zu Pferde

126 Jahre hatte sich das kostbare Gemälde Franz Krügers (1797–1857) seit seiner Entstehung im Eigentum der Familie von Gneisenau befunden, bevor es im Zuge der Bodenreform im Herbst 1945 auf Gut Sommerschenburg konfisziert wurde. Bei der Verteilung der Kunstwerke aus den sogenannten Schlossbergungen gelangte das Bildnis des Grafen in die Moritzburg in Halle, wo es seitdem als ein zentrales Werk über Jahrzehnte in der ständigen Ausstellung gezeigt wurde. Im Jahr 2000 wurde es schließlich an den Erben des enteigneten Eigentümers auf der Grundlage des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes rückübertragen. Kurz vor Ende der Nießbrauchsfrist Ende dieses Jahres konnte die Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt das Porträt des Grafen Gneisenau nun für die Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Lotto-Toto GmbH Sachsen-Anhalt und des Landes Sachsen-Anhalt von Alexander Graf von Gneisenau rechtmäßig erwerben.

Seinem meisterlichen Ruf als „Pferde-Krüger“ wird der am preußischen Hof reüssierende Maler in seinem Reiterbildnis des berühmten Heeresreformers und Befreiungskriege-Helden August Neidhardt von Gneisenau (1760–1831) mehr als gerecht: Vielfältig erstrahlen die Felltönungen der Rappen, Braunen, Füchse und Schimmel, artistisch führen die Beine der edlen Rösser die verschiedenen Gangarten vor; umfassend breitet der Maler sein meisterhaftes Können vor dem Betrachter aus, dabei strahlt prächtig ein Himmel in Blau zwischen grauen Wolken hervor. Weit mehr als ein bloßes Repräsentationsgemälde, charakterisiert Krüger den 1814 zum Grafen erhobenen Gneisenau weniger als Feldherrn denn als klugen Militärreformer und Vorbild für seine Offiziere, die – hinter dem Grafen gestaffelt – ehrfurchtsvoll auf den souveränen, würdevollen und hochdekorierten Veteranen blicken. Dass Krüger Gneisenau nicht als erfolgreichen General im Kriegsgetümmel zeigt, entspricht der Wahrnehmung des Kriegshelden in dieser Zeit, als Gneisenau sich trotz seiner großen militärischen Verdienste keiner herausragenden Wertschätzung am konservativen Hof, der ihm Jakobinertum unterstellt, erfreuen kann. So erkennt man in Krügers Bildnis fernab überhöhender Stilisierungen eher den realistischen Dokumentar, der Gneisenau hier in seiner zur Entstehungszeit aktuellen Funktion als Gouverneur von Berlin präsentiert und geschickt die Verehrung der Zeitgenossen und die denkmalgleiche Persönlichkeit des Kommandanten im edlen Pferd und den bewundernden Blicken seiner Begleiter aufscheinen lässt. Im Kunstmuseum Moritzburg belegt das Gemälde durch den glücklichen Ankauf auch zukünftig Krügers koloristisches Können, seine komplexe narrative Darstellungskraft und seine kompositorische Meisterschaft fernab einer biedermeierlich braven Inszenierung.