Kandinsky mit Boot

Versteckte Buchten, kleine Strände, leises Meeresrauschen: Rapallo – ein roman­tischer Ort für eine heimliche Liebe. Dort verbrachte Wassily Kandinsky (1866–1944) gemeinsam mit seiner Malerkollegin und Geliebten Gabriele Münter im Jahr 1906 einige Monate. Seit 1904 reiste der Künstler mit Münter durch die Welt, ab Ende 1905 rasteten sie an der Küste Italiens. Eine breite Farbpalette in allen Pastelltönen bestimmt in Kandinskys Ölskizze die schöne Landschaft im Sonnen­untergang bei Rapallo, die stark von den französischen Impressionisten beeinflusst scheint. Wer ist die Gestalt auf dem kleinen Kahn? Ein Fischer oder gar der Maler selbst? Fotos belegen, dass Kandinsky oft in der Bucht von Rapallo gerudert ist.

Die Ruhe des Fischerdorfes scheint inspirierend auf ihn gewirkt zu haben: In dieser Zeit entstand eine Reihe von Studien, zu der auch die Ölskizze „Rapallo – Boot im Meer“ (23,9×33 cm) gehört. Das Franz Marc Museum in Kochel am See ersteigerte das Gemälde aus der post-impressionistischen Phase des Künstlers bereits Ende des Jahres 2011 auf einer Berliner Auktion mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Stiftung Etta und Otto Stangl – damit konnte das Museum sein Repertoire an Naturstudien Kandinskys entscheidend bereichern.

Kandinsky und Münter reisten von Italien weiter nach Paris, wo Kandinsky die Avantgarde­bewegung um Picasso, Braque, Matisse und viele andere miterlebte. Seine freie Ölstudie aus Rapallo ist somit eines der letzten und ein besonders prägnantes Bild vor Kandinskys Entwicklung zur Abstraktion: Auf hohem künstle­rischen Niveau verbindet sich der deutsche Spätimpressionismus hier mit der aufschei­nenden französischen Avantgarde.

Eine Ölskizze Münters – entstanden in St. Cloud nahe Paris – befand sich bereits in der Sammlung des Franz Marc Museums, auch sie spiegelt wie „Rapallo“ die Zeit des gemeinsamen Reisens wider. Wassily Kandinsky und Gabriele Münter finden so mit ihren beiden Werken an einem bayerischen See wieder zueinander.