Blechen kann bleiben

Mit ihrem publizistischen Flaggschiff, dem „Berliner Tageblatt“, kämpfte die erfolgreiche Verlegerfamilie Mosse bis zum Ende der Weimarer Republik gegen antidemokratische und antisemitische Strömungen in Deutschland. Der wirtschaftliche Niedergang in der Weltwirtschaftskrise zwang den Verlagschef Hans Lachmann-Mosse (1885–1944) jedoch im September 1932 in den Konkurs: das Ende des Verlagsimperiums, das sein Schwiegervater Rudolf Mosse (1843–1920), eine der herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten der Gründerzeit, von Berlin aus mit dem „Berliner Tageblatt“ als liberale Stimme des Kaiserreichs aufgebaut hatte. Das Privatmuseum „Palais Mosse“ am Leipziger Platz zeigte in repräsentativem Rahmen die seit den 1880er Jahren zusammengetragene Kunstsammlung des jüdischen Mäzens – mit einem hohen Anteil von Werken der Malerei des 19. Jahrhunderts. Diese kostbare Sammlung kam – nach der Zwangsumwandlung der Handelsgesellschaft in eine von den Nationalsozialisten gesteuerte Stiftung – im Zusammenhang des Vermögensentzugs in die Kontrolle des Regimes. Die Eheleute Lachmann-Mosse hatten Deutschland unmittelbar nach der „Arisierung“ längst verlassen, als am 29. Mai 1934 die Kunstsammlung im Berliner Auktionshaus Rudolf Lepke unter den Hammer kam: Der Blechen-Forscher Guido Joseph Kern, u. a. Mitarbeiter der NS-Aktion „Entartete Kunst“, erwarb dort vermutlich auch Carl Blechens Schlüsselwerk „Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco“. 1938 wurde es von Kern an die Münchner Galerie Heinemann verkauft, nach einiger Zeit in Privatbesitz gelangte das Werk über das Auktionshaus Adolf Weinmüller an die Galerie Neumeister in München, die es 1969 schließlich an die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe verkaufte. Dort 2014 als NS-Raubkunst identifiziert, wurde das Werk an die Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse restituiert.

Carl Blechen, Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco, 1832
Carl Blechen, Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco, 1832

Das Gemälde „Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco“ von Carl Blechen (1798–1840) stammt aus der Zeit nach seiner Italienreise von 1828/29, die als Auslöser für das seit seiner Rückkehr nach Berlin 1829/30 in wenigen Jahren entstandene Hauptwerk des Künstlers gilt. Den Winter 1828 hatte Blechen in der Umgebung Roms und in Subiaco verbracht; im Berliner Atelier nutzte er die Fülle der in Italien entstandenen Skizzen und Zeichnungen für bildmäßige Fassungen der italienischen Themen. Die Kühnheit des gewählten Bildausschnitts mit dem untersichtig dargestellten Klostergebäude und die beinahe monochrome Farbigkeit der aufragenden Felswand mit den starkfarbigen Akzenten von Himmel und Bachlauf zeigen in charakteristischer Weise Blechens Landschaftsauffassung unter dem Eindruck des italienischen Lichts. Naturbeobachtung und Stimmungslandschaft gehen eine reizvolle Synthese ein.

Für die Sammlung der Kunsthalle Karlsruhe zählt Blechens auf das Jahr 1832 datiertes Gemälde „Blick auf das Kloster Santa Scolastica bei Subiaco“ seit seiner Erwerbung im Jahre 1969 zu den herausragenden Werken in der kleinen Gruppe von Gemälden der Romantik. Es gehörte zu den zentralen Werken der Ausstellung „Viaggio in Italia“ von 2010, mit der die Kunsthalle die künstlerischen Zeugnisse der deutschen Italiensehnsucht in ihrer Sammlung aufgearbeitet hat.

Umso dankbarer war die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, als sich die Erbengemeinschaft nach Rudolf Mosse entschied, das kostbare Gemälde der Karlsruher Sammlung zum rechtmäßigen Erwerb anzubieten. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, des Förderkreises der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe und des Landes Baden-Württemberg gelang jetzt der Ankauf.