Kirchner im Café

Ernst Ludwig Kirchner, Braune Figuren im Café, 1928/29
Ernst Ludwig Kirchner, Braune Figuren im Café, 1928/29

Veronal und Morphium hatten in Berlin nicht geholfen. Erst in Davos ab ca. 1917 fand Ernst Ludwig Kirchner Ruhe. Im Ersten Weltkrieg hatte der Maler 1915 einen Nervenzusammenbruch erlitten, wurde danach vom Militärdienst befreit und in die Schweiz zur Kur gebracht. Die Konstitution indessen blieb labil und trieb ihn 1938 schließlich in den Tod.

In seiner Schweizer Zeit konzentrierte sich der Expressionist Kirchner, der 1905 die Dresdner Künstlergruppe „Brücke“ mitbegründet hatte, zunächst auf Motive der Bergwelt, bevor er um 1925/26 wieder Themen aus seinem Werk vor dem Ersten Weltkrieg aufnahm. Stadt und Figuren erstehen in neuer Form: „Es wartet da die seit dem Krieg unterbrochene Arbeit auf mich. In der künstlerischen Ausdeutung des modernen Lebens liegt für mich noch große reiche Möglichkeit und ich kann heute noch ganz anders dran gehen, reifer und ruhiger“, sagte Kirchner über diesen Neuanfang. Ernst Ludwig Kirchners Gemälde „Braune Figuren im Café“ entstand 1928/29 – es zeigt exemplarisch den Zug zur Vereinfachung im Spätwerk und die Auseinandersetzung mit neuen Strömungen in der Malerei. Mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und des Landes Nordrhein-Westfalen konnte das Werk nun vom Museum Ludwig in Köln aus dem Kunsthandel angekauft werden.

Davos und die zwanziger Jahre hatten die neue Phase eingeläutet. Wo einst nervöse Pinselstriche, harte Form und grelle Farbe das Berlin der Vorkriegszeit zum Beben brachten, da zeigte sich das Leben nun beschaulich auf der Leinwand: Klare Flächen, Farben greifen ineinander, geometrisch, rhythmisch und geordnet.

Zynisch und verständlich doch zugleich, dass die Nachwelt meist nur wenig mit dem ruhigen Kirchner anzufangen wusste. Denn vergebens suchte man die subversive Expressivität der frühen Jahre und übersah die Auseinandersetzung mit Picasso, Böcklin oder Hodler. Erst seit kurzem wird das Spätwerk neu gewürdigt – wenngleich der Kunstmarkt eine klare Sprache spricht: Erheblich niedrigere Preise als für den frühen Kirchner sind für den späten hier erzielbar. Ein Haus wie das Museum Ludwig aber will den ganzen Maler jenseits des Marktgeschmacks zeigen – und hat dazu nun Gelegenheit: „Braune Figuren im Café“ ergänzt die Sammlung des Kölner Hauses – die bereits neun Werke Kirchners vornehmlich aus der Hochzeit des Expressionismus zeigt – um ein Hauptwerk später Jahre.